Die Arbeitslosenzahlen der Schweiz lassen ein düsteres Szenario erahnen

Was im März viele befürchtet haben, scheint sich jetzt mit den hohen Arbeitslosenzahlen und dem steilen Anstieg der Kurzarbeit in der Schweiz zu bestätigen. Dazu braucht es keine zweite Welle. Die Katastrophe ist schon da.

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In absoluten Zahlen liegt die Arbeitslosigkeit in der Schweiz bei 3,2 Prozent aller Erwerbstätigen. So die Statistik des Staatssekretariates für Wirtschaft SECO. Das sieht auf den ersten Blick nicht nach sehr viel aus. Als Frühindikator machen jedoch die deutlich höheren Zahlen gegenüber dem Oktober des Vorjahres Sorgen. So stieg die Gesamtarbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahresmonat um über 46 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen im Alter zwischen 50 und 64 Jahre stieg mit 43 Prozent ebenfalls dramatisch. Diese Altersgruppe wird kaum mehr eine Stelle finden. Auch die Jugendarbeitslosigkeit stieg gegenüber Oktober 2019 um 46 Prozent.

Dieses Problem spiegelt sich schon jetzt in der hohen Zahl der Langzeitarbeitslosen wider, denn die stieg gegenüber dem Vorjahresmonat um mehr als das Doppelte. Im Gegensatz dazu sank die Zahl der offenen Stellen. Bei der Kurzarbeit liegt die Schweiz gemäss Berechnungen der österreichischen Denkfabrik Agenda Austria mit über 40 Prozent sogar europaweit an der Spitze. Viele Unternehmen stellen aus Sorge um die Zukunft keine neuen Beschäftigen mehr ein, sondern entlassen sie. 

Die bedrohlichen Zahlen machen deutlich, wie hart die Schweizerische Wirtschaft durch die Pandemie-Massnahmen bereits getroffen ist – nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Engpässe bei Lieferketten und Zahlungsausfälle sind die Folgen. Neben der Exportindustrie geraten auch exportorientierte Dienstleister immer mehr unter Druck. Ob die einschränkenden Massnahmen wegen Corona in den nächsten Monaten noch verschärft werden, weiss niemand.

Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt malt ein düsteres Bild. Er rechnet im nächsten Frühling mit deutlich mehr als 200'000 Arbeitslosen und einer dramatischen Konkurswelle. Vor allem die langfristige Entwicklung mache ihm sorgen: «Wir müssen den jetzigen Weg weitergehen und dezentral nur die unbedingt notwendigen Einschränkungen verfügen. Der wichtigste Faktor ist und bleibt die Kurzarbeit», wird Vogt von der Boulevardzeitung Blick zitiert. Bereits geschwächte Betriebe könnten vermehrt dichtmachen, warnt auch die Bank UBS in ihrer neuen Publikation Outlook Schweiz.

Während sich die Pharma- und Finanzbranche erhole, würden bereits geschwächte Betriebe aus der Gastronomie-, der Reise- sowie der Eventbranche zur Aufgabe gezwungen. Firmen seien in Europa und der Schweiz über die Kurzarbeit gestützt worden, anders als etwa in den USA. Dort sei der Grossteil der Unterstützung nicht an die Firmen, sondern an die Privathaushalte gegangen. Die USA würden damit den «Strukturwandel» viel schneller zulassen als hierzulande, so die UBS-Ökonomen.

Dass es sich allerdings nicht nur um einen Strukturwandel, sondern um den Beginn der schwersten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren handelt, zeigen die aktuellen Arbeitslosenzahlen und die Tatsache, dass viele Kredite, die wegen der Coronakrise geflossen sind, in der Zukunft nicht mehr zurückgezahlt werden können. Pleitewellen werden die Folge davon sein: «Die Probleme im Finanzsektor gibt es nicht erst seit der Coronakrise, sie hätten auch ohne sie fatale Folgen gehabt», sagt der Finanzexperte und Journalist Ernst Wolff gegenüber dem Onlinemagazin Rubikon: «Das Virus dient denen, die den Finanzsektor beherrschen, als willkommener Helfer. Hedgefonds spielen ihre Marktmacht aus und ziehen dem grössten Konkurrenten – der mittelständischen Wirtschaft – den letzten Boden unter den Füssen weg. Sie ergreifen jede denkbare Massnahme, um vom inzwischen unvermeidbaren Wirtschafts- und Finanzcrash maximal zu profitieren.»