Sparen durch Bereicherung

Intelligenter vergeuden, das wird das Ökosystem Welt nicht ins Gleichgewicht bringen. Sparen ist unumgänglich, aber es fällt leicht, wenn man dafür bereichert wird – durch ein anregendes Leben in nachhaltigen Nachbarschaften, wie es der Kultautor P.M. in seinem Buch «Neustart Schweiz» vorschlägt, das jetzt in einer erweiterten Neuauflage vorliegt.

Der viel zu grosse Ressourcenverbrauch unserer Zivilisation ist ein sekundäres Problem. Das primäre Problem ist, dass ein solches Leben keinen Spass macht. Die Ich-bezogene Sucht nach immer mehr hat noch niemanden glücklich gemacht, auch nicht die kleine Minderheit, der es gelungen, immer mehr zu besitzen. Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin keineswegs ein Verfechter der Spassgesellschaft; aber man muss die Ursachen richtig benennen. Am Anfang steht der Irrtum des übermässigen Besitzes, dann folgen die Probleme, die aus diesem Irrtum entstehen.

Im Laufe der Zeit hat sich die Hierarchie der Probleme allerdings vertauscht: Der Ressourcenverschleiss unserer Wachstumsgesellschaft hat sich zu einem monumentalen Risiko entwickelt, das Ordnungen aller Art – der Natur, der Politik, der Gesellschaft – akut bedroht. Aber nur mit dem Kalorienzähler herumzugehen und Energielöcher zu stopfen, bringt uns genauso weit, wie der ständige Kaloriencheck die Fettleibigen: Wir bleiben auf der Waage stehen.

P.M. ist nicht der Erste, der die Grenzen des Sparens erkannt hat. Aber er ist der Erste, der ein Konzept vorlegt, dessen Spareffekt das kumulierte Resultat der umweltpolitischen Massnahmen übertrifft, und zwar nicht durch Einsparung, sondern durch Bereicherung. Die Bereicherung findet primär statt in Nachbarschaften, die als soziale und wirtschaftliche Organismen funktionieren und über Vertragslandwirtschaft mit landwirtschaftlichen Betrieben in der Umgebung verbunden sind. In den Nachbarschaftszentren steht in Pantoffeldistanz neben Kneipe, Kinderkrippe und Depot der Vertragslandwirte der Luxus zur Verfügung, den man heute schlicht und einfach nicht mehr besitzen sollte. In solchen Nachbarschaften lässt es sich mit 1500 Watt pro Jahr und Mensch bestens leben. Die Zahl ist nicht aus der Luft gegriffen: Der ökologische Fussabdruck des ostdeutschen Ökodorfes Sieben Linden, das haben zwei Universitäten festgestellt, beträgt ein Viertel des bundesdeutschen Durchschnitts.

Seit der ersten Auflage von Neustart Schweiz vor knapp zwei Jahren hat sich diese Vision in ein paar tausend Köpfen verbreitet, zu einem Netzwerk mit regelmässigen Treffen geführt und «Neustart Schweiz – Verein für ökologisch-soziale Erneuerung» geboren. Dieser Verein will das Bewusstsein für das enorme ökologische Potenzial der sozialen Reorganisation schärfen und Politik und Umweltorganisationen für Pilotprojekte gewinnen. Denn eines ist klar: Wer zeigen will, was unsere Gesellschaft zustandebringen kann, wenn sie sich statt nach neoliberalen Grundsätzen nach gemeinschaftlichen Werten organisiert, muss diesen Beweis im real existierenden urbanen Alltag erbringen. Neustart ist das Zusammenspiel zwischen sozialem Bewusstseinswandel, dem Genuss der lokalen Verwurzelung und der dafür notwendigen Infrastruktur.
Obwohl dieses Buch auch elektronisch verfügbar ist, erscheint es gedruckt, und zwar, weil wir an den lesenden Menschen glauben. Wir sind überzeugt, dass ein Leser, der sich einen langen Abend mit dem «Neustart Schweiz» beschäftigt – so lange dauert die Lektüre – mehr Engagement erzeugt als hundert Surfer, die sich von Endzeit zu Neustart und wieder zurück klicken.
Und noch etwas: Dieses Buch enthält die Gedanken eines Menschen, der die Fantasien von Leserinnen und Leser im ganzen deutschen Sprachraum seit Jahrzehnten beflügelt. Aber lebendig werden diese Utopien nur, wenn sich die Menschen zusammentun und konkret mit dem Umbau beginnen, auch wenn der erste Schritt mühsam und der Weg lang scheint. Unter www.neustart-schweiz.ch finden Sie Leute mit Umbauerfahrung.

 
P.M.: Neustart Schweiz – so geht es weiter. Edition Zeitpunkt, 2. erw. Auflage, 2010. 106 S. Fr. 18.70.
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