Der Musiker und Autor Anton Brüschweiler hat seine Meinung geändert. Dazu beigetragen, hat das genauere Hinschauen aufs Leben von Ötzi.

Nun: War früher alles besser? Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Antwort lautet nein! Eindeutig belegen lässt sich dies anhand der 1991 in den Ötztaler Alpen gefundenen Gletscherleiche Ötzi.

Wie romantisch habe ich mir doch das Leben in der Jungsteinzeit vorgestellt: Liebe Menschen, die freundlich grüssen, Kräuter sammeln und ein friedliches, gesundes Leben im Einklang mit der Natur führen. Doch Ötzi beweist das genaue Gegenteil. Die Leiche wirkt ungepflegt, verwahrlost. Mehrere über den ganzen Körper verstreute Tattoos legen den Schluss nahe, dass Ötzi in zwielichtigen Kreisen, vielleicht sogar im Drogenmilieu, verkehrte.

Als ihn die Fachleute auftauten, habe es nach Verwesung und Schweiss gerochen. Körperpflege scheint also nicht seine Stärke gewesen zu sein. Dass Deos in der Jungsteinzeit nur schwer erhältlich waren, kann ich nachvollziehen. Aber warum hat sich Ötzi nicht gewaschen? Karies an den Zähnen beweisen, dass er auch seine Zahnpflege sträflich vernachlässigte. Die durch den massiven Fleischkonsum von Spezialisten nachgewiesenen viel zu hohen Cholesterinwerte machten ihn zudem schon vor 5300 Jahren zum Risikopatienten.

Zudem liess Ötzi jegliches Umweltbewusstsein vermissen. Wie sein Mageninhalt beweist, ass er Steinbock, eine notabene seit Jahrzehnten geschützte Tierart. Er hätte sich auch in der Jungsteinzeit problemlos Co2-arm – also vegetarisch oder vegan – ernähren können. Aber Ötzi dachte nur an sich und ass Steinbock. Das Schicksal zukünftiger Generationen war ihm scheinbar total egal. Er lebte nach dem Motto: Nach mir die Sintflut.

Und auch wer glaubt, dass es vor 5000 Jahren in der Welt friedlicher zu und her ging, liegt total falsch. Schwer bewaffnet mit Axt sowie mit Pfeil und Bogen, hielt sich Ötzi auf einem 3000 Meter hohen Pass im heute so friedlichen Grenzgebiet zwischen Österreich und Italien auf. Tobte dort vor 5000 Jahren ein blutiger Drogenkrieg? Pazifistischen Organisationen wie der Gruppe «Österreich ohne Armee» wäre Ötzi sicher äusserst kritisch gegenübergestanden. Zu Recht, wie sich bei weiteren Untersuchungen der Gletschermumie herausstellte: Eine in seiner linken Schulter entdeckte Pfeilspitze beweist, dass Ötzi hinterrücks auf gemeinste Art und Weise durch einen Pfeilschützen ermordet wurde.

Da soll doch noch jemand behaupten, dass früher alles besser war.

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Anton Brüschweiler ist Musiker, Veranstalter von Anlässen mit Geheimtipp-Potenzial (https://www.chäsigysenstein.ch) und Autor des Buches «Das AntWort – die Wahrheit des Absurden», eine Sammlung von lebensrettenden Weisheiten in einer verrückten Welt.

Anton Brüschweiler: Das AntWort – die Wahrheit des Absurden. edition Zeitpunkt, 2018. 106 Seiten, Fr. 19.00.-/€ 17.00.- Geb. Mit Illustrationen von Lukas Machata.
Leseprobe und Bestellung.


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22.9.20 Raum für Literatur, St Gallen, musikalische Umrahmung: Manuel Stahlberger
18.12.20 Literaturcafé Biel, musikalische Umrahmung: Andreas Schaerer

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