Wie sich Glencore in Bolivien aus der Verantwortung stiehlt

In der von einer Glencore-Tochterfirma betriebenen Mine Porco im bolivianischen Hochland bauen Kooperativen Zink, Blei und Silber ab. Sie holen das aus dem Berg, was die Betreiberin übrig lässt. Der Schweizer Konzern kauft den Kooperativen zwar einen Grossteil ihrer unter unmenschlichen Bedingungen gewonnenen Rohstoffe ab, schaut bei den häufigen Arbeitsunfällen und Umweltvergehen aber systematisch weg. Die Konzernverantwortungsinitiative würde helfen, diese organisierte Rechtlosigkeit endlich zu beenden. Stimmen Sie am Sonntag ab!

Christian Lombardi / Public Eye

Offizielle Unfallstatistiken fehlen, doch laut einer erfahrenen Ärztin vor Ort kommt es in der Mine Porco im Schnitt zu etwa zwanzig Todesfällen – jährlich. Dies teilt die Organisation Public Eye nach einer Recherche in einer Medienmitteilung mit. Als hohe Rohstoffpreise 2017 noch mehr Arbeiter als sonst in die Mine lockten, sei dort praktisch jede Woche jemand gestorben. Gemäss der Medizinerin würden regelmässig auch Minderjährige im Gesundheitszentrum des Städtchens Porco eingeliefert werden. Die Jüngsten seien gerade einmal elf Jahre alt. Hauptursachen sind demnach nach Sprengungen herabfallende Steinplatten und Stürze. Sicherheitsvorkehrungen gibt es in den Stollen kaum, wie der Public Eye-Reporter Timo Kollbrunner in der Mine feststellen konnte.

In Porco wird seit 700 Jahren Zink, Silber und Blei abgebaut. Betreiberin der ältesten Mine Boliviens ist die Sociedad Minera Illapa S.A., eine hundertprozentige Tochter von Glencore. 2013 hat Illapa mit der staatlichen Corporacion Minera de Bolivia (Comibol) einen 15 Jahre gültigen Assoziationsvertrag für den Betrieb der Mine Porco abgeschlossen, demzufolge «alle operativen Aspekte» unter der «exklusiven, umfassenden und vollen Verantwortung» von Illapa stehen – und damit von deren Schweizer Mutterhaus. Illapa beschäftigt etwa 400 Arbeiter, die Kooperativen zusammen mehr als zehnmal so viele. Wenn sich für die Glencore-Tochterfirma in einem Sektor ihres Konzessionsgebiets der maschinelle Abbau nicht mehr lohnt, übernehmen sie die Restverwertung. Mit primitivsten Mitteln und unter Lebensgefahr.

In der Mine: Haarsträubende Sicherheitsbedingungen für Arbeiter und Einsatz von Minderjährigen. 

Die Mine vergiftet zudem das Wasser der bergabwärts gelegenen Dörfer. In Sora Molino etwa hat die Gemeinde Porco im Fluss «Agua Castillo», der primären Trinkwasserquelle für die dortigen Bewohner, einen sechsmal über der in Bolivien zulässigen Höchstmarke liegenden Zink-Wert gemessen. Bei dem für Mensch und Umwelt in hoher Konzentration ebenfalls schädlichen Eisen überstieg der gemessene Wert die gesetzliche Limite um das 28-fache, bei Mangan gar um das 50-fache. Die ökologischen und sozialen Konsequenzen sind gravierend: Von dem Wasser trinkende Lamas verenden, die Ernteerträge haben sich mehr als halbiert und die Menschen verlassen mangels Lebensgrundlage ihre Dörfer.

Konfrontiert mit diesen Befunden erklärt eine Glencore-Sprecherin in Baar, man arbeite mit den Behörden von Porco zusammen, «um ihre Bedenken bezüglich der Wasserqualität besser zu verstehen». Die Abnahmeverträge der Glencore-Tochter mit Kooperativen in der Mine Porco unterlägen einer Sorgfaltsprüfung, explizit auch in punkto Betriebssicherheit und des Risikos von Kinderarbeit. Vor Ort ist aber offensichtlich, dass diese Prüfung weder die haarsträubenden Sicherheitsbedingungen für die Arbeiter verbessert noch den Einsatz von Minderjährigen verhindert. 

Nach Annahme der Konzernverantwortungsinitiative müsste Glencore dafür sorgen, dass die Minenaktivitäten den für die Region wichtigen Fluss Agua Castilla nicht weiter vergiften. Und der Konzern wäre gezwungen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit in Porco keine Minderjährigen schuften und es nicht mehr zu vermeidbaren, oft tödlichen Unfällen kommt.