«Geld verhält sich wie eine Droge, und zwar nicht chemisch, sondern psychologisch.» Dies schreibt die englische Psychologin in ihrem Buch «Erst denken, dann zahlen – die Psychologie des Geldes und wie wir sie nutzen können.»

(Bild: Ausschnitt des Buchcovers von Hammond: Erst denken, dann zahlen)

Sie wertet in ihrem netten, aber nicht sonderlich geschärften Buch Hunderte von Studien über die Wirkung des Geldes auf unsere Gefühle und unser Verhalten aus.
Tatsächlich hat die Neurobiologie in den letzten zwanzig Jahren mehrfach feststellen können, dass Geld, obwohl keine chemische Substanz, ganz ähnlich auf unser Gehirn wirkt wie Drogen. So aktiviert Geldgewinn die Belohnungszentren, sogar wenn es nur Spielgeld ist. Und Geldverlust stimuliert dieselben Gehirnregionen wie körperlicher Schmerz. Dabei werten wir Geldverlust höher als realen Verlust. 50 Franken, die einem gestohlen werden, tun viel mehr weh als die Lebensmittel für denselben Betrag, die man monatlich aus dem Kühlschrank entsorgt.

Im Umgang mit Geld ist Vorsicht geboten, denn die Nachteile überwiegen:
■     Geldmangel senkt den IQ. Diese Erkenntnis verdanken wir einem indischen Psychologen, der Zuckerrohrbauern aus dem indischen Gliedstaat Tamil Nadu untersuchte. In den zwei Monaten vor der Ernte sind sie mehrheitlich in finanziellen Nöten und müssen auch für den Alltagsbedarf Kredite aufnehmen. Vor der Ernte liegt der IQ im Durchschnitt neun bis zehn Punkte tiefer als nachher.
■     Bei Geldmangel steigt der Level des Stresshormons Cortisol und führt zu falschen Entscheidungen. Der deutsche Wissenschaftler Johannes Haushofer hat dafür den Begriff «neurobiologische Armutsfalle» geprägt.
■     Geld macht egoistisch, einsam und senkt die Hilfsbereitschaft.
■     Geld zerstört die Eigenmotivation.
■     Geld macht gierig.
Aber:
■     Bargeld begünstigt nützliche Ausgaben.
■     Je weiter weg das Geld ist, desto weniger will man es. Sparen Sie Ihr Geld also auf einer weit entfernten Bank und verzichten Sie auf einen elektronischen Zugang.
■     Wer schenkt, ist glücklicher.

Es ist erstaunlich, dass eine soziale Technologie wie Geld zu derart verbreiteten psychologischen Defiziten führt. Die Wissenschaft steht vor einem Rätsel. Dies dürfte vor allem an einer fehlerhaften Arbeitshypothese liegen, denn «die Mängel in unserer Gesellschaft entstehen nicht durch das Geld als solches», schreibt Hammond, «sondern durch unseren Umgang damit.» Aber: Geld ist, bedingt durch seine Entstehung als Kredit, ein Mangelsystem. Es ist zwar lebenswichtig, es gibt aber nie genug davon – verständlich, dass es uns den Kopf verdreht. Dagegen helfen zwei Dinge: Das Bewusstsein, dass wir es mit einer Droge zu tun haben und selbstverständlich die Vollgeld-Initiative, die die Geldschöpfung aus dem Nichts der Banken abstellen will – die tiefere Ursache der Misere.     CP

Claudia Hammond: Erst denken, dann zahlen – die Psychologie des Geldes und wie wir sie nutzen können. Klett-Cotta, 2017. 432 S. CHF | EUR 18.95

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