Werden Mann und Frau die gleichen Rechte leben? Oder sterben die Männer vorher aus? Wie wird die Arbeit aussehen? Arbeiten wir in Zukunft überhaupt noch gegen Bezahlung? Die Montagsserie.

Liebe Zeitpunkt-Leser, wiederum ein grosses Danke für eure reichen E-Mails. Heute veröffentlichen wir einen ein wenig längeren Text, der uns ereilt hat und ein lesenswerter Gedankenanstoss ist.
 

Die Schweiz von Morgen

 

«Mein Credo: Macht das Licht aus!

Ehe die Männer aussterben, werden voraussichtlich so viele Spezies für immer ihren Lebensraum auf diesem Planeten verloren haben, dass eure Frage obsolet ist. Denn ein weiterhin so rasantes ‹Verschwinden› vieler Tier- und Pflanzenarten, wie wir es derzeit erleben, würde ein zukünftiges Erdenleben für Menschen unmöglich machen. Sie hätten schlicht nichts mehr zu essen.

Deshalb plädiere ich als erste Massnahme für etwas ganz Altmodisches: Macht das Licht aus! Gebt uns die dunklen Nächte zurück.

Ich weiss, wovon ich spreche. Ich gehöre zu den wenigen Glücklichen, die, wenn sie abends oder nachts ihr Haus verlassen, von absoluter Dunkelheit umfangen sind. Dafür höre ich unmittelbar beim Öffnen der Haustür das ‹Konzert der Nacht›, einen wunderbaren – jahreszeitlich abgestimmten – Geräuschmix aus Käuzchen, Schleiereulen, hin und wieder gemischt mit dem entfernten Grunzen eines Wildschweins, dem eiligen Trappeln aufgescheuchter Rehe oder den Liebesgesängen läufiger Katzen und «stieriger» Kühe. Die Basslinie wird dominiert vom Sound quakender Frösche, die hohen Lagen von Grillen und anderen Zirpern.

Doch schon nach wenigen Minuten haben sich meine Augen völlig an die Dunkelheit angepasst, und dann eröffnet sich das wahre Wunder der Nacht. Je nach Wetterlage und Mondphase kann ich mehr oder weniger Sterne sehen, meinen Blick in das unendliche Universum richten. Das ist es, was mich erdet, was mir ‹meine Rolle› in diesem phantastischen Kosmos zuweist. Wie klein sind wir Menschen und was massen wir uns an?

So starte ich fast jeden Abend spät mit meinen beiden Hunden zu unserer ‹Nachtwanderung›, die zwei Katzen begleiten uns von sich aus, während sie bei den Tagestouren stets im Garten zurückbleiben.

Der ‹Zauber der Nacht› ist in den meisten ‹zivilisierten› Gegenden verloren gegangen. Schlimmer als der rein ästhetische Aspekt ist jedoch, dass das allgegenwärtige Kunstlicht Pflanzen, Insekten, Reptilien, Vögel und Säugetiere nachhaltig beeinträchtigt. Menschen in Grossstädten klagen über Schlafstörungen, die für die Gesundheit so wichtige Chronobiologie wird durch Kunstlicht massiv gestört. Neuere Forschungen legen sogar ein erhöhtes Brutkrebsrisiko und ein vorzeitiges Einsetzen der Pubertät als Folge der Dauerbeleuchtung nahe.

Lichtimmission nennt das die Wissenschaft und ein junges Fachgebiet – die Scotobiologie (Dunkelheitsbiologie) – untersucht deren Auswirkungen.

Und übrigens: Ja, wir haben Strom im Haus, und wenn es unbedingt nötig ist, kann ich auch draussen um das Haus herum Licht anmachen.»

Clara Reiter, aus einer ländlichen Region der Schweiz

 


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