Immer mehr Eltern wünschen sich, dass ihr Kind anders unterrichtet und ins Leben begleitet wird, als es die öffentliche Schule anbietet. Private und alternative Angebote nehmen in den letzten Jahren zu. Nun eröffnet mit Campus Vivere auch in Frauenfeld eine neue Bildungsstätte – die nebst obligatorischem Schulstoff ebenso Themen wie Selbstwert, Nachhaltigkeit, Bewegung und Gemeinschaft viel Platz einräumen wird.

Nicole de Virgiliis, Doris Stelzmüller und Ina Lindauer (von links) © zvg

Wie soll die Schule aussehen, wohin man seine eigenen Kinder schicken möchte? Auf jeden Fall anders als sie es heute im öffentlichen Bildungssystem tut. Das war den drei Frauen im Thurgau klar. Vorstellungen und Ideen dazu hatte jede für sich alleine schon vor der Coronakrise. Aber als die Lockdowns kamen und später auch die Maskenpflicht an den Schulen eingeführt wurde, da genügte es ihnen nicht mehr, lediglich über die Vorstellungen und Ideen einer «anderen Schule» zu sinnieren. Sie verspürten Dringlichkeit zu handeln, selbst anzupacken und etwas aufzubauen.

«Wir waren mehrere Menschen, die sich im letzten Jahr während des Lockdowns regelmässig trafen, gemeinsam zu Mittag assen und uns austauschten», sagt Ina Lindauer. Das sei ein Bedürfnis gewesen, um diese Coronageschichte einzuordnen. Ebenso Nicole de Virgiliis und Doris Stelzmüller hätten an diesen Treffen teilgenommen und so fanden die drei Frauen, die alle einen pädagogischen Hintergrund haben, rasch zueinander und entschieden: Schluss mit dem einseitigen Schulystem, das die Potentiale der Kinder nicht entfaltet, sondern eher auf Gehorsam, Gleichschalten und Vergleichen trimmt. Ina Lindauer, die selbst eine 7-jährige Tochter hat: «Sollte es nicht eher um Beziehung statt Erziehung gehen?»

Nach vielen Monaten Planen, Zulassung anfordern und Räumlichkeiten suchen, ist es nun soweit: Campus Vivere wird in Frauenfeld Mitte August seine Tore öffnen – für alle, die ihr Kind anders bilden möchten. Campus Vivere bietet freies Lernen in Gemeinschaft an. Was heisst das? «Wir übernehmen die Privatbeschulung in Kleingruppen, dies mit Tagesstruktur», so die 47-Jährige, «denn es gibt kantonale Vorgaben, die eingehalten werden müssen, da sind wir nicht ganz frei.» So sei es im Unterschied zu anderen Kantonen im Thurgau etwa auch ein Muss, dass Homeschooling-Kinder von einem ausgebildeten Stufenlehrer beschult würden. «Aber daneben haben wir viel Zeit, die wir dann selbst gestalten können.»

Den Initiantinnen von Campus Vivere geht es darum, den Kindern nicht nur gängigen Schulstoff zu vermitteln, sondern auch andere Sachen, die fürs Leben wichtig sind, wie das Stärken von Selbständigkeit und Selbstwert. «Damit man sein Potential entfalten kann, muss man sich spüren, also eine Verbindung zu sich selbst haben», sagt Lindauer, die heute ebenso als Therapeutin für Traumabewältigung arbeitet. «Wir werden mit den Kindern zum Beispiel auch Meditationen durchführen.» Des Weiteren wird in der Bildungsstätte Schauspiel, Tanz und Musisches angeboten. «Nicole ist ausgebildete Musicaldarstellerin und eine Lernbegleiterin bringt einen Zirkushintergrund mit – auf jeden Fall ist bei uns im Schulalltag viel Bewegung eingeplant», sagt Lindauer, die ihre erste Ausbildung als diplomierte Sportlehrerin abschloss. Auch die dritte im Bund, Campus Vivere-Mitbegründerin Doris Stelzmüller, ist Sportlehrerin, arbeitete über dreissig Jahre am Gymnasium.

 

 

Auch der Bezug zur Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit werden wichtige Themen bei Campus Vivere sein. «Unsere Schule befindet sich in Frauenfeld in einem Quartier mit viel Grün, Grillplatz und mehreren Spielplätzen drumherum.» Es soll also viel draussen unternommen werden. «Wir möchten, dass die Kinder möglichst wieder in einem natürlichen Umfeld aufwachsen, deswegen planen wir auch für die Zukunft, dass Tiere zu Campus Vivere gehören: Schafe, Ziegen, Hühner.» Bereits von Anfang an sind Pferde in den schulischen Alltag integriert, und einige Exkursionen führen direkt in den Stall von Doris Stelzmüller, wo die Kinder viel rund ums Pferd lernen können.

Die ersten Kinder für den Start im August sind angemeldet. Für interessierte Kinder und Eltern gibt es noch freie Plätze. Ina Lindauer hält fest: «Bei uns kann man zu jeder Zeit einsteigen, auch innerhalb des Schuljahres.» Zurzeit seien die Gründerinnen zudem auf der Suche nach Unterstützern, etwa einer Stiftung, damit ebenso finanzschwächere Familien das Angebot von Campus Vivere nutzen könnten. Aber auch damit die zukünftige Vision von einem generationenübergreifenden Lernort mit Altenwohngemeinschaft, Permakulturgarten und Tierhaltung unterstützt werden kann. Denn: «Wir leben den Gedanken der Menschheitsfamilie. Ziel ist es, sich in Gemeinschaft geborgen zu fühlen und in diesem geschützten Rahmen zu lernen, zu leben und zu lachen.»


Mehr Informationen: www.campus-vivere.com

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